Politische Satire unter dem Schatten von Holzhammer-Humor
Der kasachische Journalist Borat Sagdiyev (Sacha Baron Cohen) wird von seiner Regierung in die USA geschickt, um eine Dokumentation über die Gepflogenheiten des Landes zu drehen. Das Projekt soll die Entwicklung von Kasachstan vorantreiben. Mit seiner trotteligen und politisch unkorrekten Art erregt Borat indes den Unmut der Amerikaner. Zunehmend fühlt er sich einsam und missverstanden – bis er in einer Baywatch-Episode zufälligerweise Pamela Anderson in ihrer Rolle als vollbusige C. J. Parker erblickt. Für Borat ist es Liebe auf den ersten Blick. Er überzeugt seinen Produzenten Azamat (Ken Davitian), in einem Icecream-Truck von Washington nach Kalifornien zu reisen, um Pamela zu heiraten. Auf ihrer Reise hinterlassen die beiden eine Spur von Verwunderung, Aufregung und auch Hass.
Borat (2006) von Regisseur Larry Charles ist ein aussergewöhnlicher Film, der an der Grenze zwischen Realität und Fiktion die Möglichkeiten des Humors neu auslotet. Sacha Baron Cohen kann seine Comedy-Philosophie hier voll ausleben. Er schlüpft in die Rolle eines antisemitischen, nationalistischen, rassistischen und chauvinistischen Clowns, der dem zeitgenössischen Amerika einen Spiegel vor den Kopf hält. Im Gesicht des dümmlichen Borat spiegelt sich die Dummheit eines Teils der amerikanischen Bevölkerung. Mit sprachlicher Unzulänglichkeit und naiv-kindlichem Auftreten entlarvt Sacha Baron Cohen die Scheinheiligkeit und Überheblichkeit seiner Mitmenschen. Das ist nicht neu: Denselben Ansatz verfolgte Cohen schon mit seiner Kultfigur Ali G – ein ungebildeter Möchtegern-Gangster, der prominente Persönlichkeiten in scheinbar ernsten Interviews aufs Glatteis führt.
Mit Borat tritt uns dieser Ansatz in Form eines Langspielfilms entgegen. Gelungen ist das wesentlich besser als im Vorgängerfilm Ali G Indahouse (2002), der die realsatirische Spitzen mit einer dümmlichen Fiktion ersetzte. Allerdings wundert man sich auch bei Borat, ob die Form des Spielfilms die richtige ist. Denn sie lässt die Dramaturgie ordentlich holpern. Cohens Figuren schreien geradezu nach einer episodischen Struktur, die jeweils eine in sich geschlossene Szene zeigt. Um eine Geschichte zu erzählen, mischt der Regisseur Larry Charles gänzlich fiktive Szenen mit pseudorealistischen. Der ganze Plot um Pamela Anderson wirkt aufgesetzt und erzwungen, die »Moral von der Geschicht« geradezu klischiert, der anarchistischen Philosophie der Hauptfigur widerstreitend. Es wirkt, als versuche man hier einem platten Stereotyp Tiefe zu verleihen; das kann gar nicht funktionieren. Realismus und Fiktion stehen sich hier gegenseitig im Wege. Besser wäre es gewesen, man hätte auf die Geschichte fast gänzlich verzichtet und stattdessen auf Episoden gesetzt.
Die hanebüchenen Aussagen und Handlungen, die Borat aus seinen Gesprächspartnern kitzelt, sind gleichwohl entlarvend – und wahnsinnig witzig. Hier bilden Fremdscham-, Fäkal- und Schockhumor eine explosive Mischung. Die Erkenntnisse, die uns Borat liefert, sind indes nicht besonders überraschend. Dass die Zuschauer eines Rodeos wütend auf die Verballhornung der US-amerikanischen Hymne reagieren, ist ebenso klar wie die Empörung Bürgerlicher, wenn plötzlich eine Prostituierte auf der Türschwelle steht. Das ist eher intelligente Blödelei als politische Satire. Baron Cohen bedient hier ganz bewusst das Vorurteil des dummen Amerikaners, über das man sich – besonders in Europa – königlich amüsieren kann. Das hinterlässt einen faden Nachgeschmack.
Die besten Szenen sind jene, in denen sich Borat gar nicht besonders daneben benimmt und die Vorurteile wie von alleine zu Tage treten. In Erinnerung bleibt vor allem der Rodeo-Produzent Bobby Rowe, der sich nicht lange bitten lässt, für die Verfolgung von Homosexuellen einzustehen. Auch die Erweckungs-Szenen der United Pentecostal Church lassen einen kalt erschauern; dabei ist dieses Sequenz fast dokumentarisch. Manche Überzeugungen brauchen keinen Clown, um gruselig zu erscheinen. Das Gespräch mit den drei betrunkenen College-Studenten ist ebenfalls erschütternd; vor allem deshalb, weil Borat ausgerechnet bei offenen Rassisten und Chauvinisten Trost findet.
In der Geschichte der Filmkomödien hat sich Borat einen Ehrenplatz verdient. Um einen solchen Streifen zu produzieren, braucht man als Schauspieler eine gehörige Portion Mut und Aufsässigkeit. Das hat Sacha Baron Cohen – nur leider überschattet der plumpe Holzhammer-Humor die politische Satire. Und echte Einsichten bleiben auf der Strecke.
6/10