Maniac (2012)

Das harte, krude Psychogramm eines Massenmörders

Los Angeles: Der junge Restaurateur Frank Zito zieht durch die Strassen der Stadt und lauert attraktiven Frauen auf, um sie brutal zu ermorden. Er skalpiert sie und tackert ihre Haare an die Schaufensterpuppen in seiner Wohnung. Als Frank der hübschen Nachwuchskünstlerin Anna begegnet, fühlt er zum ersten Mal in seinem Leben so etwas wie Liebe. Aber kann ein perverser Psychopath wie er überhaupt eine zwischenmenschliche Beziehung aufbauen?

1980 drehte William Lustig einen Film, der tief in die Psyche eines Serienkillers eintauchte und das damalige Publikum mit heftigen Splatter-Effekten schockierte: Maniac. 2012 erscheint das Remake, produziert vom französischen Horror-Experten Alexandre Aja (Haute Tension, The Hills Have Eyes). Für die Regie zeichnete sich Franck Khalfoun verantwortlich, ein Freund und Arbeitskollege Ajas. Herausgekommen ist ein Film, der so einiges wagt, aber in vielen Belangen enttäuscht.

Alexandre Ajas Maniac setzt auf eine stilistische Karte: Das gesamte Geschehen wird aus der Sicht des Killers Frank geschildert, und zwar wortwörtlich. Die Kamera übernimmt 1:1 den Point of View des Protagonisten. Das ist insofern spannend, als der Protagonist kein Held, sondern ein perverser Irrer ist. Das Publikum wird also in eine Perspektive gezwungen, die ihm fremd und abstossend erscheinen muss. Das führt zu einigen aufwühlenden Szenen, in denen die Zuschauer zusammen mit dem Massenmörder unschuldige Frauen stalken müssen. Die POV-Einstellungen führen ausserdem zu einer cleveren Umkehrung der Spannung. Bei Slasher-Filmen ist das Publikum meist im Unklaren darüber, ob und wo der Killer zuschlägt. Hier aber wissen wir immer, wo sich der Mörder versteckt. Khalfoun führt uns das Unausweichliche vor Augen. Wir wissen, es wird geschehen. Aber wie? Und wann? Die Momente vor den Morden sind atemberaubend; sie lassen uns an der animalischen Vorahnung des Killers teilhaben. Das ist ausserordentlich verstörend, denn man muss zugeben: Diese Szenen haben einen düsteren Unterhaltungswert.

Nach dem Tod mehrerer Frauen nutzt sich der Effekt allerdings ab, und plötzlich steht die Frage im Raum: Was soll die Übung eigentlich? Klar, Khalfoun bemüht sich darum, den Killer zu psychologisieren, bleibt dabei aber reichlich krude. Die Rückblenden in die Kindheit des „Maniac“ sind einseitig und abgenutzt. Fast wünscht man sich, das Drehbuch würde ganz darauf verzichten, eine pseudo-rationale Rechtfertigung für die Taten des Protagonisten zu präsentieren. Die Distanz zu ihm lässt sich ohnehin nicht überbrücken, eine wirkliche Identifikation ist von Vornherein unmöglich. Genau mit dieser Fremdheit hätte man noch intensiver spielen können, um das Publikum stärker zu verunsichern. Ein Thema des Films ist die Objektivierung der Frau durch ein männliches Subjekt; die Reduktion des Frauenkörpers auf eine leblose Puppe, der Schmerz und Lust zugleich aufgedrängt werden. Das regt zum Nachdenken an, lässt aber an Selbstreflexion vermissen: Ist Alexandre Ajas Maniac nicht selbst ein mustergültiges Beispiel der Objektivierung?

Elijah Wood (Lord of the Rings) ist hervorragend als Frank, der gegen aussen schüchtern und charismatisch wirkt, gegen innen aber eine hilflose, erbarmungslose Seele ist. Seine Selbstgespräche sind wirklich unangenehm. Obwohl der Film in Franks Perspektive schlüpft, bekommt man Woods Gesicht erstaunlich oft zu sehen – sei es in Spiegeln oder Photographien. Aber das Drehbuch liefert zu wenig Material, um aus Frank eine greifbare Persönlichkeit zu machen. Es taucht nicht tief genug in seine Psyche ein, vertraut zu sehr auf die POV-Shots, die im Grunde nicht sehr erhellend sind. Nora Arnezeder ist charmant als französische Künstlerin; gegen Ende bedient sie virtuos die Klaviatur der Panik und Courage.

Die Tode sind deftig inszeniert – gekonnte Schläge in die Magengrube. Bei manchen der Morde verlässt die Kamera den POV Franks und filmt das Geschehen von aussen. Das ist eine verpasste Chance. Die Gewaltausbrüche sind gerade da am gruseligsten, wenn sie aus der Perspektive Franks gezeigt werden. Hier hat man fast das Gefühl, dass Khalfoun dem Publikum dann doch nicht alles zumuten wollte. Oder vielleicht wirkten die Gore-Effekte aus der Distanz besser? Beide Begründungen hinterlassen einen schalen Nachgeschmack. Wenn schon Voyeurismus, dann bis zum bitteren Ende. Immerhin ist die finale Sequenz konsequent in der Ich-Perspektive gehalten, was eine spektakuläre Action-Szene ermöglicht.

Alexandre Ajas Maniac ist ein spannendes Experiment, das nicht ganz so intelligent ist, wie es sich gibt. Als psychologische Studie kann der Film kaum überzeugen; als stilvoller, eigenwilliger Slasher aber durchaus.

6/10

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